Stellungnahme zur Diskussion über Felix Rexhausen und Materialien zur Meinungsbildung
letztes Update: 15.07.2018
Die Stadt Köln hatte im Mai 2015 die Einweihung des Felix-Rexhausen-Platzes vorläufig abgesagt. Der Bund Lesbischer und Schwuler JournalistInnen (BLSJ) kritisierte diese Entscheidung, die offenbar nur aufgrund eines schlecht recherchierten Artikels im Online-Portal „Huffington Post“ getroffen wurde. So wurde die Chance vertan, ein Zeichen gegen Homophobie zu setzen und einen herausragenden Kölner Autor, Humanisten und Bürgerrechtler zu ehren.
Die verschobene Einweihung fand nun anlässlich des Tags der Menschenrechte am 10. Dezember 2015 statt.
Was war geschehen? Der Theologe David Berger wirft Felix Rexhausen in seinem Artikel die Verharmlosung von Pädophilie vor. Berger stützt sich dabei auf das vor 45 Jahren erschienene Buch „Berührungen“ von Rexhausen. Der BLSJ, der seinen Journalistenpreis nach Felix Rexhausen benannt hat, hat sich selbstverständlich intensiv mit dessen Werk auseinandergesetzt, auch mit dem fraglichen Buch „Berührungen“ von 1969.
Rexhausen beschreibt darin ein Kaleidoskop schwulen Lebens in den 1960er-Jahren – also zum Ende der Adenauer-Ära. Einer Zeit mit restriktiver Sexualmoral, in der noch der Antischwulen-Paragraf 175 in der Nazi-Fassung galt. In dem Buch „Berührungen“ geht es in 41 kurzen Geschichten um das Sex- und Beziehungsleben eines schwulen Mittzwanzigers. Pädophilie kommt dort überhaupt nur in einem Absatz zur Sprache, in dem Rexhausens Hauptfigur Sex mit Kindern explizit ablehnt. In zwei der 41 Kapitel ist Sex mit Jugendlichen Thema; hier geht es also gar nicht um Pädophilie. Letzteres war übrigens bei Erscheinen des Romans im Jahr 1969 für heterosexuelle Männer und Frauen sowie für Lesben nicht strafbar. Schwule Männer hingegen konnten damals dafür im Gefängnis landen. Erst nach Abschaffung des Paragraf 175 im Jahr 1994 wurde das – dann „relative“ – Schutzalter von 14 auf 16 Jahre angehoben.
Die Beschreibung sexueller Kontakte eines jungen Manns mit männlichen Jugendlichen ist daher als Protest des Autors gegen ein diskriminierendes Sexualstrafrecht zu werten. Denn „Berührungen“ hat über die Schilderung sexueller Anekdoten hinaus einen klaren politischen Anspruch: So thematisiert Rexhausen etwa die Homosexuellenverfolgung der Nationalsozialisten und deren mangelnde Aufarbeitung in der Bundesrepublik.
Rexhausen entwirft ein Spektrum schwulen Lebens in den 1960er-Jahren unter den Bedingungen der Repression – mit all ihren Schattenseiten. Kritiker behaupten, dass einige Textstellen dieses Buches pädophile Fantasien bedienen würden. Doch alleine die Art der Schilderung und die beschriebenen Umstände sind oftmals alles andere als „fantasie-anregend“ – wie zum Beispiel in der Passage über ein Treffen mit einem jugendlichen Stricher in einem schmuddeligen Hotelzimmer. Rexhausen schreibt zwar über dieses Thema – genauso, wie auch ein Krimi-Autor über Verbrechen schreibt: aus Gründen der Dramaturgie oder gar um die Leser zum Nachdenken zu bringen. Das heißt natürlich nicht, der Autor würde sich damit identifizieren.
Rexhausen hält den Schwulen der 1960er-Jahre den Spiegel vor. Wer das Buch „Berührungen“ liest, bemerkt seinen kritischen Blick auf viele homosexuelle Verhaltensmuster, für deren Schilderung er sich satirischer Mittel bedient. Obwohl im Vorwort steht, die Geschichten in dem Buch seien „nicht frei erfunden“, wimmelt „Berührungen“ nur so vor Übertreibungen, in denen man eindeutig den Satiriker erkennt. Ja, es ist sogar anzunehmen, dass auch das Vorwort bereits Satire ist. Und autobiografisch kann das Buch schon deshalb nicht sein, weil kein Mensch eine solche Vielzahl einander ausschließender sexueller Präferenzen auf sich vereinen kann, wie in dem Buch geschildert werden.
Der BLSJ hat den Roman eingehend geprüft – sowohl unter strafrechtlichen, literaturwissenschaftlichen als auch soziologischen Gesichtspunkten und kommt zu dem Ergebnis: In keiner Weise wird hier Pädophilie verherrlicht. Bei den aktuellen Vorwürfen gegen Rexhausen werden offensichtlich einzelne Zitate aus „Berührungen“ in denunziatorischer Absicht aus dem Kontext gerissen.
Der politisch engagierte Autor, Journalist und Satiriker Felix Rexhausen ist und bleibt ein Vorbild, ein würdiger Namensgeber unseres Journalistenpreises – und hoffentlich bald auch des Felix-Rexhausen-Platzes.
Köln, 5. Mai 2015
Lesen Sie auch die ergänzende Stellungnahme des BLSJ-Vorstands vom 22. Mai 2015
Liebe Journalistinnen und Journalisten!
Wenn Sie über „Felix Rexhausen“ berichten möchten, freuen wir uns sehr darüber. Auf unseren Seiten finden Sie ausführliche Informationen über sein Leben und Wirken. Hören Sie auch unbedingt in das „WDR-Zeitzeichen“ hinein. Wenn Sie in Ihrem Beitrag auch über das Buch „Berührungen“ schreiben möchten, bitten wir Sie, das Buch vorher zu lesen.
Wir wissen nicht, ob es einen Zusammenhang zwischen der BLSJ-Stellungnahme zum Rauswurf von Herrn Berger bei der Zeitschrift „Männer“ und den plötzlich erhobenen Vorwürfen gibt. Der Vollständigkeit halber möchten wir aber darauf hinweisen.
Wenn Sie sich über den Urheber der aktuellen Vorwürfe ein Bild machen möchten, empfehlen wir Ihnen diese Links:
Der schwule Rechtsruck – ein Kommentar von Stephanie Kuhnen auf taz.de
queeriban.de – ein Watchblog zu Herrn Berger und Rechtspopulismus in der schwulen Community
(nicht mehr existent – ersatzweise findet man hier das Queer.de-Dossier zu David Berger)
Gegen das System Berger! – ein Beitrag auf queer.de
David Berger: Ein Theologe im Kampf gegen „Islamisierung“ und „Nanny-Medien“ – Das gemeinnützige Recherchezentrum „Correctiv“ schreibt am 12.07.2018 über Bergers Blog „Philosophia Perennis“
Weitere Materialien
Rexhausen-Verleger Detlef Grumbach reagiert auf Vorwürfe:
„Absurd“ & „Kalter Kaffee“, 08.05.2015
Auch der Verlag Olympia Press reagierte auf die Vorwürfe:
Matthias Oehme: „Die aufgeworfene Frage hat sich uns damals gar nicht gestellt. Das mag naiv erscheinen, doch auch nach erneuter Durchsicht sind uns die Vorwürfe einigermaßen schleierhaft.“
DIE LINKE. NRW: Felix Rexhausen hat Ehrung verdient, nicht Diffamierung, 07.05.2015
Joachim Bartholomae zeigt auf schwule-literatur.de, wie Denunziation funktioniert und kritisiert auch die Haltung des Kölner Stadt-Anzeigers, der ungeprüfte Vorwürfe als „Meinung“ in einer „Debatte“ dargestellt habe.
Der Berliner Journalist Robert Niedermeier beschäftigt sich in diesen Beiträgen mit der „Causa Berger“:
Des Doktors Doppelmoral, 06.05.2015
Da hilft nix, 08.05.2015
Bernd Gaiser: Das hässliche Gesicht des Enthüllungsjournalismus am Beispiel David Bergers, 09.05.2015
Der Comic-Autor Ralf König reimt: „Für Felix Rexhausen“, 10.05.2015
Micha Schulze hat es gemacht: Er hat das Buch gelesen und für queer.de „aus aktuellem Anlass“ rezensiert: „Das steht wirklich in Felix Rexhausens Roman!“, 11.05.2015
Ergänzende Stellungnahme des BLSJ-Vorstands, 22.05.2015
„Ein Sturm im Wasserglas?“, fragt Herbert Potthoff in der Zeitschrift des Centrums Schwule Geschichte (HIStory, Ausgabe 2/2015, Seite 6f)
Rexhausen-Preisträger Jobst Knigge ist auch nach Lektüre des Buchs Berührungen „weiterhin stolzer Träger des Felix-Rexhausen-Preises“, schreibt der 2012 ausgezeichnete Fernseh-Autor in einem ausführlichen Beitrag auf queer.de, 24.05.2015
Elmar Kraushaar schreibt in der taz-Kolummne Wahrheit: „Der homosexuelle Mann darf nun öffentlich geehrt werden – so wie Felix Rexhausen. Prompt wird das Werk des vor fast 25 Jahren verstorbenen Autors skandalisiert.“, 22.09.2015
Die Grüne Jugend Köln sagt „Ja zum Felix-Rexhausen-Platz“, 04.01.2016
Dies ist die Internet-Adresse zu dem von Herrn Berger auf einem Online-Portal veröffentlichten Text: www.huffingtonpost.de/david-berger/koln-will-mit-einem-straenschild-ein-zeichen-gegen-homophobie-setzen—erreicht-aber-das-gegenteil_b_7170456.html