Schöner schreiben über Lesben und Schwule
Wenn Lesben und Schwule Beiträge über sich in der Zeitung lesen oder im Fernsehen schauen, kommen sie manchmal aus dem Staunen nicht heraus. Egal ob Boulevard, Qualitätspresse oder Nachrichtenagenturen: Regelmäßig gibt es Schlagzeilen über das „Homosexuellen-Milieu“ und ungelenke Formulierungen wie „Homosexuelle und Lesben“ oder „bekennende Schwule“, die zeigen, dass es in vielen Redaktionen noch nicht so unverkrampft zugeht, wie mancher annimmt.
Der Bund Lesbischer und Schwuler JournalistInnen hat 2011 ein Faltblatt zu diesem Thema mit acht Praxisbeispielen veröffentlicht. Dieses war schnell vergriffen. In Zusammenarbeit mit der Akademie Waldschlösschen haben wir 2013 daher eine wesentlich umfangreichere Fassung als Broschüre herausgegeben. Diese enthält neben Praxisbeispielen auch kurze Texte zur Einordnung von Formulierungen und ein kleines Glossar. Mit der Neuauflage wollen wir weiterhin unsere KollegInnen ermuntern: Schreiben Sie über Lesben und Schwule – aber denken Sie dabei auch an die Wirkung Ihrer Texte! Die folgenden Informationen sollen eine kleine Hilfe im Arbeitsalltag sein.
Die Broschüre ist in der Edition Materialien Waldschlösschen erschienen. Zu Dokumentationszwecken bieten wir sie trotz ihres Alters auch als PDF-Datei an.
Update: Die Broschüre wird 2024 aktualisiert und erweitert. Wir freuen uns, dass dieses Projekt durch die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld gefördert wird.
In unserer Online-Liste auf dieser Seite finden Sie bereits eine teilweise aktualisierte Fassung der Praxisbeispiele.
Link-Tipps zu Trans* und Inter* finden Sie am Ende dieser Seite.
Homosexuelle und Lesben
Erstaunlich häufig wird „homosexuell“ mit „schwul“ gleichgesetzt. Dabei ist das geschlechtsneutrale Wort „Homosexuelle“ der Überbegriff für Schwule und Lesben.
Richtig: „Schwule und Lesben“
Anne ist eine bekennende Homosexuelle
Man bekennt sich zu einer Straftat, zu einer Sünde oder einem Glauben. Homosexualität ist nichts davon, die Zeiten des § 175 StGB sind vorbei. Auch wenn das Wort Bekenntnis im allgemeinen Sprachgebrauch Weiterungen erfahren hat (u.a. „bekennender Fußballfan“), bleibt es doch ein unpassender Begriff. Unabhängig davon ist es nach wie vor relevant, wenn sich jemand selbstbewusst geoutet hat. Wichtig: Sind Menschen offen schwul oder lesbisch, dann ist die mediale Wiedergabe dieser Information nicht indiskret! Geben sich Homosexuelle nicht zu erkennen, werden sie automatisch für hetero gehalten.
Vorschlag: „Anne lebt offen lesbisch.“
Noch besser: Beiläufig erwähnen wie bei Heterosexuellen: „Annes Lebensgefährtin ist …“, „Anne hat ihre Traumfrau noch nicht gefunden…“
Moritz hatte sein Outing
Dieser Begriff hat ebenfalls diverse Sinnerweiterungen durchlaufen: Outen kann man sich heutzutage auch als Vegetarier. In Bezug auf Lesben und Schwule gibt es da allerdings feine Unterschiede, selbst wenn die Begriffe Coming-out und Outing häufig als Synonym verwendet werden. Das Coming-out bezeichnet einen persönlichen, selbstbestimmten Prozess: Jemand klärt seine Angehörigen, seine Umgebung (oder aber die Öffentlichkeit) über seine sexuelle Orientierung auf. Von „Outing“ dagegen spricht man, wenn eine fremde Person die sexuelle Orientierung eines Menschen öffentlich macht. Ein für die betroffene Person wesentlicher Unterschied.
Richtig: „Hape Kerkeling und Alfred Biolek wurden von Rosa von Praunheim geoutet.“; „Klaus Wowereit hatte sein öffentliches Coming-out auf dem SPD-Parteitag.“
Moritz hat sich geoutet
In der Reflexivform ist das Verb korrekt, da die Selbstbestimmtheit ausgedrückt wird.
Das ist gut so.
„Schwul“, „lesbisch“ oder „homosexuell“?
Die Adjektive „schwul“ und „lesbisch“ werden von einigen Heterosexuellen als Schimpfwort empfunden. Schwule und Lesben sehen diese Worte hingegen als selbstverständliche Beschreibung ihrer sexuellen Identität. Deshalb nur Mut.
Das darf man ruhig schreiben: „schwul“, „lesbisch“, „homosexuell“.
Überzeugte Lesbe
Doppel-Diskriminierung von Lesben. Die Formulierung beinhaltet das Bild der sexuell passiven Frau, die erst durch einen Mann zu ihrer Sexualität finden kann. Die übergriffige Frage, ob es eine Lesbe denn je mit einem Mann probiert habe (der sie „bekehren“ könne), ist immer noch alltäglich. In manchen Fällen werden diese Worte für Frauen verwendet, die niemals eine sexuelle Beziehung oder Begegnung mit einem Mann hatten und dies für sich ausschließen. Die Formulierung impliziert eine Umkehrbarkeit der sexuellen Orientierung durch äußere Einflussnahme. Viele Lesben empfinden diesen Begriff als Beleidigung.
Vorschlag: Lesbe. „Anna lebt schon immer lesbisch.“ oder „Anna, die zehn Jahre mit einem Mann verheiratet war, hatte mit 40 ihr Coming-out als Lesbe.“
Im Homosexuellen-Milieu
Dieser Terminus ist sprachlicher Unsinn. Was oder wo soll dieses Milieu denn sein: die Stadt Köln, der Eurovision Song Contest oder gar das Amtszimmer einer lesbischen Politikerin? Solche Phrasen verunglimpfen Homosexuelle kollektiv, ganz so, als wären Lesben und Schwule wie Kriminelle in einer Art Rotlichtviertel organisiert. Kaum jemand würde über eine „Gewalttat im Lehrermilieu“ oder einen „Doppelmord im Hetero-Milieu“ berichten. Dass „Milieu“ auch ein soziologischer Begriff ist, wissen wir. Doch Autoren wollen mit reißerischen Schlagzeilen dieser Art wohl kaum eine soziologische Präzision zum Ausdruck bringen. Zudem ist es gerade ein Ergebnis dieser Studien, dass Homosexuelle in jedem Milieu vorkommen.
Vorschlag: Statt „Mord im Homosexuellen-Milieu“: „Schwuler Mann ermordet“ (falls das Schwulsein für die Geschichte überhaupt von Bedeutung ist). Statt „Ein Mann aus dem Homosexuellen-Milieu“ einfach: „Ein Schwuler.“
Homo, Homo-
Das Wort „Homo“ als Synonym für einen schwulen Mann, selten für eine lesbische Frau, klingt despektierlich. Als Präfix kann das Wort Homo unter Umständen kurz und prägnant den Sachverhalt verdeutlichen (siehe weitere Textbeispiele)
Vorschlag: Schwuler, Homosexueller. Als Präfix: schwul-lesbisch/lesbisch-schwul.
Ehefrau, Ehemann, „sind verheiratet“
Über die Gleichstellung von (gleichgeschlechtlichen) Lebenspartnerschaften mit der (heterosexuellen) Ehe wurde lange Zeit eine emotionale Debatte geführt. Bis zur Öffnung der Ehe am 1. Oktober 2017 sprachen viele Lesben und Schwule ganz bewusst von „Hochzeit“, nannten ihre PartnerInnen „Mann“ und „Frau“ und formulierten damit ihren Anspruch auf Gleichbehandlung. Damals suggerierte die Verwendung klassischer Begriffe der Ehe jedoch eine Gleichstellung, die es so nicht gab. Solange eine Unterscheidung zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft galt, war es journalistisch korrekt, diese Diskriminierung durch den Einsatz der im Standesamt verwendeten Worte deutlich zu machen.
Vorschlag für die Beschreibung des damaligen Status quo: „Lebenspartnerin“, „Lebenspartner“, „sind verpartnert“ oder auch: „durften damals nicht heiraten“.
Homo-Ehe
Über die Zulässigkeit des plakativen Begriffs „Homo-Ehe“ gab es lange Jahre unterschiedliche Ansichten. Zum einen kann das Präfix „Homo“ als herabwürdigend verstanden werden (siehe Praxisbeispiel Homo, Homo-). Zum anderen handelte es sich bei der Lebenspartnerschaft, die bis 2017 galt, eben gerade nicht um eine Ehe.
Seit dem 1. Oktober 2017 ist eine Eheschließung auch für Homosexuelle möglich. Damit ist der Begriff Homo-Ehe überflüssig.
Kein Synonym für „Lebenspartnerschaft“! Nur noch in historischen Zusammenhängen sinnvoll; z.B. bei der Forderung nach Gleichstellung: „Angela forderte Homo-Ehe“; besser: „Angela forderte Öffnung der Ehe für Homosexuelle“.
Homo-Verdacht / Homo-Vorwurf
Vokabeln mit diskriminierendem Unterton. Die Begriffe „Verdacht“ und „Vorwurf“ haben eine klar negative Konnotation: Als wäre Homosexualität ein Verbrechen, eine Krankheit oder etwas Geheimzuhaltendes.
Vorschlag: Diskussionen/Spekulationen über sexuelle Orientierung.
Schwulen-Parade
Beim Christopher Street Day wird u.a. die Vielfalt der Community gezeigt, was journalistisch berücksichtigt werden sollte. Der Begriff „Schwulen-Parade“ ist eine Formulierung, die alle anderen TeilnehmerInnen diskriminiert. Die Vernachlässigung von Lesben, Trans*- und Inter*-Menschen in der Bild-Berichterstattung bzw. im Beitragstext ist ein häufiger Fehler in Berichten über CSDs. Sicherlich stechen einige Menschen in den Demonstrationen aus der Masse hervor; sich bei der Berichterstattung auf diese zu beschränken, wird dem Charakter der Veranstaltung jedoch nicht gerecht.
Vorschlag: „CSD-Parade“, „CSD-Demonstration“, „Regenbogenparade“. Frauen aufs Bild!
Schrille Party / Schrille Parade
Trotz lauter Musik und ausgelassener Stimmung darf nicht vergessen werden, dass bei den Paraden anlässlich des Christopher Street Days viele Menschen auf die Straße gehen, um für Gleichstellung und gegen Homophobie zu demonstrieren. Dass dabei ebenso bisher erreichte Ziele gefeiert werden, tut dem keinen Abbruch.
Vorschlag: Gehen Sie auf die politischen Forderungen ein.
Rosa
Abgegriffenes Klischeesymbol, das schwule Männer in der heterosexuellen Welt verächtlich machen soll. Noch heute setzen regelmäßig Boulevard-Medien Homosexuelle betreffende Meldungen in einen rosa Kasten. Auch hier gilt: in satirischem Kontext zulässig.
Vorschlag: schwul.
Pressemitteilung zum Leitfaden
Ergänzungen
Ausführlicher und sehr lesenswerter Beitrag mit 20 Tipps vom Blogger „der zaunfink“: Gerne etwas mehr. Anmerkungen zur CSD-Berichterstattung
„offen schwul“
„wegen Homosexualität getötet/bestraft“ (Archiv-Seite des ehemaligen Blogs stevenmilverton.com)
Tipp: Glossar der Aktion „anders und gleich“
Sechs Tipps für Journalisten, die über einen CSD berichten wollen
Sieben Klischees, die Bisexuelle nicht mehr hören wollen
Tipps zu Trans* und Inter*
„Denken im Genitalraster“, taz-Interview mit Leo Yannick Wild
Trans* in den Medien – Informationen für Journalist_innen
Inter* & Sprache – von »Angeboren« bis » Zwitter«
Medienleitfaden von Julia Monro
Medienguide des Transgender Network Switzerland
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Ein Reader über Transgeschlechtlichkeit als Thema in der Arbeitswelt der
Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung bei der Berliner Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen (PDF, 60 Seiten, 1,2 MB)
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