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ARD-Themenwoche „Toleranz“

Plakat zur ARD-Themenwoche Toleranz 2014

Plakat zur ARD-Themenwoche Toleranz 2014; Foto: ARD

Am 15. November startet die ARD die „Themenwoche Toleranz“! Man könnte annehmen, die Verantwortlichen hätten sich im Vorfeld mit der Thematik beschäftigt. Doch die Wogen schlugen schon hoch, noch bevor die ersten Sendungen ausgestrahlt worden sind. Zurecht, findet BLSJ-Vorstand Michael Lohse.

Ein Plakat mit zwei Schwulen, die sich zaghaft berühren. Darunter die Frage „Normal oder nicht normal?“ Damit wirbt die ARD im Jahre 2014 für ihre „Themenwoche Toleranz“. Wohlgemerkt kein Zungenkuss ist zu sehen, keine Parade von Lederschwulen mit Peitsche und Hundehalsband. Schon der Austausch von Zärtlichkeiten zwischen zwei adretten Jungs mit dem Zeug zum Lieblingsschwiegersohn reicht den Programmverantwortlichen, um allen Ernstes die Normalität von Schwulen in Frage zu stellen. Die Kampagne wirkt wie aus der Zeit gefallen – ein Rückfall in die dumpfe Gedankenwelt der 1950er-Jahre, als Homosexualität wahlweise als Krankheit oder Sünde galt. Sie fällt ohne Not weit hinter den mühsam erkämpften Konsens und die längst gelebte Realität unserer Gesellschaft zurück. Als Provokation, an der man sich produktiv reiben soll, rechtfertigt die ARD die Plakate. Man darf wohl unterstellen, sie meint es nur gut mit ihrer Themenwoche und möchte die Toleranz mehren. Aber dann fragt sich: Wer soll hier eigentlich provoziert werden? Doch ganz offensichtlich die Aufgeschlossenen, Toleranten, während diejenigen, die heimlich ihre Ressentiments pflegen, ermutigt werden, indem man ihren Vorurteilen auf Plakaten ein Forum bietet. Die Kampagne richtet sich ausschließlich an eine vermeintlich normale Mehrheit, die gnädig und mit zusammengebissenen Zähnen diversen Minderheiten Toleranz gewährt. Wobei die Plakate unterschwellig vor allem eine Fragestellung transportieren: Sind wir nicht eigentlich viel zu tolerant? Können sich diese nervigen Minderheiten nicht mal ein bisschen mehr zusammenreißen, um es uns nicht noch schwerer zu machen als ohnehin schon?

Man kann nur den Kopf schütteln, wie diese offensichtlich missglückte und kontraproduktive, von einem reaktionären Geist gespeiste Werbeaktion alle öffentlich-rechtlichen Abnahmen passieren konnte. Noch mehr aber verärgert der Ankündigungstext einer Diskussionsrunde des Hessischen Rundfunks mit dem sich selbst mit Stolz homophob nennenden Matthias Matussek. Wenn dort im Rahmen einer Aufzählung gefragt wird: „Ist sich das knutschende schwule Paar in der U-Bahn eigentlich bewusst, wie viel Toleranz es seinen Mitreisenden abverlangt?“ Um dann zu folgern: „Es bedarf schon einer gehörigen Portion Toleranz, um den Alltag zu überstehen“, wird unter dem Deckmantel der Toleranzförderung endgültig homosexuelle Identität diffamiert. Toleranz erscheint hier als zwar notwendiges, aber lästiges Übel. Wie viel schöner wäre doch eine von allen Perversionen, Behinderungen und multikulturellen Zumutungen gesäuberte U-Bahn, so darf der reaktionäre Leser mit dem Verfasser dieser Zeilen seufzen. Wer mit einer Themenwoche für Toleranz werben will, sollte doch wohl zunächst sorgfältig mit Sprache umgehen und sich diffamierender Stereotype bewusst sein. So aber ist die ARD-Themenwoche Toleranz leider auf dem besten Wege zur Belastung statt zur Bereicherung, um ein anderes Plakat der Kampagne zu zitieren. Oder wollte man eigentlich viel lieber eine Themenwoche „Wider die politische Korrektheit“ an den Start bringen und hat sich nur nicht getraut?

Michael Lohse, Vorstand BLSJ