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Podiumsdiskussion in Hamburg

Mit prominenten Vorbildern weg von den Klischees

BLSJ-Podiumsdiskussion im „Pride House“ über Homos in den Medien

Blick ins Publikum bei der BLSJ-Podiumsdiskussion

Blick ins Publikum bei der BLSJ-Podiumsdiskussion

„Wir brauchen endlich einen weiblichen Wowereit, sonst ändert sich so schnell nichts.“ Das Statement von Nicole Koenecke, Redakteurin bei Tagesschau und Tagesthemen, war das passende Schlusswort einer Podiumsdiskussion im „Pride House“ des Hamburger CSDs. Anderthalb Stunden lang hatten Medienschaffende und das Publikum auf Einladung des BLSJ über das Bild von Homosexuellen in den Medien diskutiert. Der große Saal des Pride Houses war mit gut 70 Zuhörerinnen und Zuhörern rappelvoll.

Die von Katrin Jäger moderierte Diskussion mit dem Titel „Homosexuell = schwul? Wie Journalisten über Lesben und Schwule schreiben“ war der dritte Teil einer Veranstaltungsreihe, die der BLSJ anlässlich der Veröffentlichung einer Inhaltsanalyse der Journalistin und Kommunikationswissenschaftlerin Elke Amberg ausgerichtet hat. Die vom BLSJ unterstützte Studie mit dem Titel „Schön! Stark! Frei! – Wie Lesben in der Presse (nicht) dargestellt werden“ weist nach, dass das Bauchgefühl vieler Lesben stimmt: Sie kommen bei der Berichterstattung in den Medien kaum vor – meist noch viel seltener als Schwule.

Beispiele dafür hatte jedeR TeilnehmerIn auf dem Podium parat. Artikel und Beiträge, in denen von „Homosexuellen und Lesben“ die Rede ist, sind zwar schräg – aber „immerhin“ werden Frauen darin wenigstens erwähnt. Häufig werden allerdings Forderungen des CSD ausschließlich auf Männer („Schwule fordern mehr Rechte“) oder der ganze CSD auf eine „Schwulenparade“ reduziert.

Zwei Podiumsteilnehmer

BLSJ-Vorstand Martin Munz und Hinnerk-Chefredakteur Stefan Mielchen (von links)

Stefan Mielchen, Chefredakeur des schwulen Hamburger Stadtmagazins „Hinnerk“, vermutet hinter solchen Formulierungen Unwissenheit der Journalisten: „Die heterosexuellen Kollegen kennen unsere Lebenswelt nicht und verstehen sie nicht.“ Heraus komme dann häufig die Wiedergabe von Klischees – das gelte für Lesben und Schwule gleichermaßen: „Mich hat einmal ein Kollege der Bild-Zeitung angerufen und gefragt: Wie ist das als Schwuler: Fühlt man sich da als Mann oder als Frau? Und der meinte das ernst!“
Klischees spielen in der Berichterstattung über Lesben und Schwule nach wie vor eine große Rolle. Martin Munz, Vorstand des BLSJ, wies darauf hin, dass Frauen in der Berichterstattung generell seltener vorkommen als Männer – und wenn, dann eher als „Schmuckwerk“ oder in der klassischen Rolle der Mutter. Dieses Phänomen gelte leider auch bei der Berichterstattung über Homosexuelle, bei der Lesben deutlich unterrepräsentiert seien. Häufig stelle er bei Lesben aber auch eine gewisse Zurückhaltung fest bezüglich des Coming-outs; auch was die Offenheit gegenüber Presseanfragen angehe. Das Motto des Hamburger CSDs „Trau Dich! Zeig Dich! Out ist in.“ sei ein Schlüssel zu einer größeren öffentlichen Wahrnehmung von Lesben.

Eine Podiumsteilnehmerin

Podiumsteilnehmerin Kathy Crowell vom Magazin "Escape"

Kathy Crowell vom lesbischen Hamburger Stadtmagazin „Escape“ führte diese Zurückhaltung auch auf die historische Entwicklung der Frauen-Lesben-Bewegung zurück, in der viele engagierte Frauen die spezifischen Belange der Lesben zunächst hinter dem „übergeordneten Ziel der Emanzipation“ zurückgestellt haben. Da habe sich einiges verbessert: Lesben seien schon präsenter als früher. Nicht zuletzt liege die Zurückhaltung auch daran, dass viele Lesben auch Mütter seien und sich aus einem Schutzbedürfnis gegenüber ihren Kindern zurückhielten.

Eine Podiumsteilnehmerin

Podiumsteilnehmerin Nicole Koenecke von Tagesschau und Tagesthemen

Man könne niemanden zu einem Coming-out zwingen, ergänzte Nicole Koenecke. Sie selbst habe in der Redaktion auch jahrelang gewartet. Es brauche mehr prominente Vorbilder, an denen frau sich orientieren könne.

Zum Abschluss wünschte sich Martin Munz mehr Berichte, in denen die Homosexualität der Protagonisten nicht selbst Thema der Berichterstattung ist, sondern wie selbstverständlich nebenbei erwähnt werde. „Genauso selbstverständlich wie bei Heterosexuellen ja auch Ehepartner und Kinder erwähnt werden.“

Die komplette Diskussion zum Herunterladen und Nachhören:
72 Minuten als MP3 (32,7 MB) – gesendet beim Hamburger Radiosender Radio Tide 96.0

Faltblatt „Schöner schreiben über Lesben und Schwule –
8 Beispiele aus der journalistischen Praxis“

Informationen zur Hamburger Regionalgruppe des BLSJ

Sag mir, wo die Lesben sind …
Informationen zur Studie, die im Herbst als Buch erscheint

 

TeilnehmerInnen der Podiumsdiskussion vom 3. August 2011:
– Kathy Crowell (Escape)
– Nicole Koenecke (ARD-aktuell, Tagesschau)
– Stefan Mielchen (Chefredakteur “Hinnerk”)
– Martin Munz (BLSJ-Vorstand)

Moderation: Katrin Jäger