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Zwölf Arten zu Outen.
 


von Werner Hinzpeter

Outing sei unmoralisch, findet die wohl stark überwiegende Mehrheit in Deutschland. Und akzeptiert dabei Outings im Dutzend, ohne sich zu entrüsten. Weil es reichliche Methoden

gibt, Homosexualität öffentlich bekannt zu machen, die gar nicht als Outing empfunden werden. Dieser Wider-spruch war Thema des Workshops "Outing - ein Tabu" bei der BLSJ-Bundesversammlung 1999 in Hamburg.

Seit 1998 wird Outing wieder thematisiert. Doch die Diskussion dreht sich wie schon nach Praunheims legendärem RTL-Auftritt um die immer gleichen drei Grund-positionen.

Die meist vertretene lautet: "Schwul / Lesbisch sein ist Privatsache." Promi-nent vertreten wurde sie in jüngster Zeit zum Beispiel von Alice Schwarzer in "Emma" - in einem Kommentar zu Outings von Jens Riewa und Matthias Wissmann: "Denunziantentum hat wie-der Konjunktur. Diesmal von links."

Noch von vielen akzeptiert wird die Position: "Wer Schwulen und Lesben schadet, hat keinen Schutz verdient." Die letzte im deutschsprachigen Raum dazu angestoßene größere Kampagne fand in Österreich statt. In der "Neuen Züricher Zeitung" begründete ein Aktivist die - nie eingelöste - Ankündigung, vier Bischöfe zu outen: "Der Kirche gebührt das Outing, weil sie bis heute nicht müde wird, Haßtiraden gegen die Homosexuellen zu führen."

Nur eine Minderheit findet Outing an sich akzeptabel - frei nach dem Motto: Schwul sein / lesbisch sein verpflichtet. In der "hinnerk"-Titelgeschichte zum Christopher-Street-Day 1998 schrieb Carsten Scholz: "Wer von der schwulen Gemeinschaft profitiert, handelt egoistisch, wenn er seine 'Familie' trotzdem totschweigt oder gar verleugnet." Noch kompromißloser ist der US-Publizist Michelangelo Signorile, der selbst schon fleißig geoutet hat: "Je mehr Homosexualität akzeptiert wird", schreibt er in "Out", "desto akzeptabler ist Outing."

In der journalistischen Praxis sieht es aber ganz anders aus. Oft wird bedenkenlos über die sexuelle Orientierung Prominenter berichtet -und in vielen Fällen läßt es sich auch gar nicht vermeiden, weil eine Geschichte ohne Angabe der sexuellen Vorlieben nicht vermittelbar wäre. Die im Workshop vorgestellte Liste mit zwölf Methoden, Menschen "aus dem Schrank" zu stoßen, versteht sich nicht abschließend.

Zur Liste der zwölf Arten zu Outen:

 

 

 

 

Zwölf Arten zu Outen.

 

1. Klassisches Outing
Outing als Selbstzweck (Im Dezember 1991 ist Rosa von Praunheim Gast bei „RTL Explosiv“ und outet Hape Kerkeling, Alfred Biolek)

3. Täter-Outing
Outing von Straftätern. „Hamburger Morgenpost“ vom 27. März 1995: „Wiens Erzbischof Kardinal Hans Hermann Groer soll während seiner Zeit als Direktor des Knabenseminars im niederösterreichischen Hollabrunn einen Jungen sexuell mißbraucht haben.“ Ähnlich gelagert der Fall von Heinz Eggert, damals Innenminister in Sachsen, der männliche Mitarbeiter sexuell belästigt haben soll. Für die Tat selbst gilt die Unschuldsvermu- tung, die sexuelle Orientierung wird als Zugabe unwiderruflich mitgeliefert.

5. Homophoben-Outing
Outing von Menschen, die sich schwulen- oder lesbenfeindlich verhalten (Michael Kühnen, nie umgesetzte österreichische Outing-Kampagne von 1995 gegen die katholische Kirche und konservative Politiker).

7. Posthumes Outing
Outing historischer Personen -aus Zeiten, als es das Wort „schwul“ noch gar nicht gab. Reihenweise zum Beispiel in: Bernd-Ulrich Hergemöller: „Mann für Mann, Biographisches Lexikon zur Geschichte von Freundesliebe und mann-männlicher Sexualität im deutschen Sprachraum“ (Erwähnt werden u.a. Karl May, Immanuel Kant).

9. Insider-Outing
Outing nur für Eingeweihte (Giovanni di Lorenzo am 14. April 1993 in der „Süddeutschen Zeitung“: „Matthias Wissmann führt nicht das Privatleben eines durchschnittlichen schwäbischen Familienvaters. Das ist sein gutes Recht, und sich dazu zu bekennen wäre schon alleine deswegen sinnvoll, um den Gerüchten ein für allemal die Spitze zu nehmen: ‚Nicht einmal der dümmste Macho in der Partei‘, sagt ein ihm nahestehender CDU-Politiker, 'könnte ihm dann den Respekt versagen'.“ Ähnlich Jan Feddersen in der „taz“ über Ole von Beust („eingefleischter Junggeselle“).

11. Provoziertes Outing

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Aufgrund einer Unterlassungsaufforderung einer Berliner Anwaltskanzlei vom 24. Mai 2017 sehen wir uns vorerst gezwungen, das unter diesem Punkt dargestellte Beispiel eines selbst provozierten Outings nicht mehr zu nennen.

 

2. Folge-Outing
Berichterstattung über Outing, oft gepaart mit öffentlicher Entrüstung („Bild“ am 12. Dezember 1991: „Pfui, Rosa! Schwulenverrat im TV -Hape Kerkeling zum Geständnis gezwungen: Ja, ich bin schwul!“). Ähnlich die „Bild“-Reaktion, als Harald Schmidt in seiner Late Night-Show Bettina Böttinger outete.öffentlicher Entrüstung („Bild“ am 12. Dezember 1991: „Pfui, Rosa! Schwulenverrat im TV -Hape Kerkeling zum Geständnis gezwungen: Ja, ich bin schwul!“). Ähnlich die „Bild“-Reaktion, als Harald Schmidt in seiner Late Night-Show Bettina Böttinger outete.

4. Opfer-Outing
Outing der Opfer von Straftaten. „Bild“ am 17. September 1990: „Walter Sedlmayr ist tot. Als er gefunden wurde, lag er im Bett auf dem Bauch. Die Polizei rekonstruierte: Der Täter muß sich ihm von hinten genähert haben. Die Polizei sucht den Mörder im Homosexuellen-Milieu. Denn erst Sedlmayrs Tod offenbarte schlagartig das Doppelleben des großen Volksschauspielers. Er konnte nur Männer lieben.“

6. Denunzierendes Outing
Outing mit dem Ziel, einer Person zu schaden (Ernst Röhm, Günter Kießling).

8. Pseudo-Outing
Sensationsbericht über eine Person, die sich gar nicht versteckt: „Bild“-Aufmacher am 27. April 1999: „Tatort-Kommissarin Ulrike Folkerts: Ja, ich liebe Frauen“. Dabei hatte die Folkerts schon 1998 in einem Interview der „Hamburger Morgenpost“ auf die Frage: „Sie engagieren sich stark für homosexuelle Aktionen.“ geantwortet: „Ja, ich war gerade auf dem Christopher Street Day. Ich stehe dazu und die Leute reagieren durchaus positiv.“ Kurz zuvor hatte der „Stern“ mit Einverständnis der Schauspielerin über ihre Beziehung zu einer Frau geschrieben.

10. Szene-Outing
Outing in Szene-Medien (Micco Dotzauer in „hinnerk" 05/99: „Daß im La cage aux folles aufs Wildeste abgefeiert werden kann, ist längst bekannt. Nun scheint das auch Prinz Frederic von Anhalt (ja der, der mit Zsa Zsa Gabor veheiratet ist) spitz bekommen zu haben und tauchte unlängst in Begleitung eines jüngeren „Boys“ auf. Doch der Prinz hatte an diesem Abend Pech: Auf dem Heimweg wurde er überfallen und um einige blaue Scheinchen erleichtert. Die hätte er doch lieber anderweitig ausgegeben…“

12. Outender Klatsch
Meist unveröffentlichte Szene-Gerüchte -vor allem über gutaussehende Stars wie Leonardo DiCaprio oder Matt Damon.

 

Die Diskussion der Kategorien zeigte, dass die Workshop-Teilnehmerinnen und Teilnehmer keine Bedenken gegen die meisten der genannten Outing-Methoden hatten. Es bestand das Bedürfnis nach einem Meinungsbild. Klar abgelehnt wurde klassisches Outing. Nur drei der 14 Anwesenden sprachen sich dafür aus. Die anderen Kategorien sind aber erlaubt, fand die große Mehrheit der 14 Anwesenden. Das Outen von Homophoben und posthumes Outing fanden sogar alle moralisch richtig. Drei Stimmen sprachen sich gegen Pseudo-Outing und Insider-Outing aus. Umstrittener war nur outender Klatsch: Vier Gegenstimmen, zwei Enthaltungen, aber immerhin acht fanden auch das in Ordnung.
Ach, wo wir schon dabei sind: In Wien soll es gerade das Klatschthema sein, dass der Jaguar eines sehr bekannten FPÖ-Rechtsauslegers angeblich regelmäßig vor der Wohnung eines in Wien studierenden Ghadafi-Sohns parkt.

Der Autor:
BLSJ-Mitglied Werner Hinzpeter ist Redakteur beim STERN in Hamburg.

 

 

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