Kölner Appell

Politiker outen oder nicht? BLSJ sagt: ja, aber fair!

Minister Altmaier drückt sich um Offenheit – und Journalisten diskriminieren daraufhin Lesben und Schwule

Der Umgang mit dem Beinahe-Coming-out von Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) offenbart, wie stark die Berichterstattung über lesbisches und schwules Leben in den Medien noch immer von Diskriminierung geprägt ist. Deshalb fordert der BLSJ alle Journalistinnen und Journalisten zu fairer Berichterstattung auf – wie schon vor elf Jahren in seinem Kölner Appell.

Dass er mit seinem Single-Dasein zufrieden sei, erklärte Altmaier in einem Interview mit der Bild am Sonntag: „Der liebe Gott hat es gefügt, dass ich allein durchs Leben gehe“, sagte er dort. Redakteur Jan Feddersen griff das in der Tageszeitung Taz auf und deutete dessen Schwulsein an: „Irgendwie passt dieses pseudobarocke Schwurbeln nicht zu diesem Minister.“ Daraufhin lies Taz-Chefredakteurin Ines Pohl den Text von der Internetseite der Zeitung entfernen und entschuldigte sich sogar: „Politisch wie moralisch ist die sexuelle Orientierung eines Menschen irrelevant.“

Allein das private Wissen um die Homosexualität einer Person des öffentlichen Lebens rechtfertigt nicht deren Outing: „Wichtig ist für Journalisten zu unterscheiden zwischen sexueller Orientierung, die für die Beurteilung einer Person im öffentlichen Leben relevant sein kann, und Privatleben“, sagt Dennis Pfeiffer-Goldmann vom BLSJ. Gewähre ein Politiker wie Peter Altmaier aber private Einblicke bei einer Homestory, müssten Journalisten auch private Frage stellen – besonders wenn die Antworten auch über das Private hinaus von Interesse sein können. Die Bild am Sonntag muss sich fragen lassen, warum sie nicht nachgehakt hat: „Herr Altmaier, sind Sie schwul?“, wäre die richtige Frage auf die vernebelnden Äußerungen gewesen.

Kritik müsse sich ebenso die Taz gefallen lassen: „Frau Pohl irrt, wenn sie das Schwulsein eines hochrangigen Politikers als Privatsache bewertet“, erläutert Pfeiffer-Goldmann. „Damit stuft die lesbische Chefredakteurin Homosexualität als etwas ein, das man verheimlichen sollte, und diskriminiert so Lesben und Schwule.“ Einen größeren Gefallen als mit Selbstzensur hätte sich die Taz damit getan, bei Peter Altmaier selbst nachzufragen und seine Antwort zu publizieren.

Die sexuelle Orientierung eines Menschen ist mitnichten dessen Privatsache: „Genauso wenig wie die Hautfarbe eines Menschen privat sein kann, kann dies auch nicht die sexuelle Orientierung sein, auf die man ebenfalls keinen Einfluss hat“, macht Axel Bach vom BLSJ, Mitinitiator des Kölner Appells, deutlich. Sehr wohl privat können aber sexuelle Praktiken oder der Lebenspartner sein. „Viele Journalisten merken gar nicht, dass sie – bewusst oder unbewusst – über das Privatleben von heterosexuellen Politikerinnen und Politikern ausführlich berichten.“ Denn die Information über den heterosexuellen Ehemann habe keinen anderen Informationsgehalt als die Erwähnung eines homosexuellen Lebenspartners.

Einen fairen und diskriminierungsfreien Umgang mit Lesben und Schwulen in der Berichterstattung fordert der BLSJ seit 2001, als er seinen Kölner Appell beschloss: „Der BLSJ fordert JournalistInnen und Medien auf, die sexuelle Orientierung von lesbischen, schwulen und bisexuellen Personen des öffentlichen Lebens nicht länger zu tabuisieren“, heißt es darin. „Die Erwähnung der sexuellen Orientierung ist insbesondere dann wichtig, wenn sie für das Verständnis einer Nachricht oder Geschichte beziehungsweise zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit einer Person erforderlich ist.“

Links:

Kölner Appell
Zu einem neuen Umgang der Medien mit sexueller Orientierung und Privatleben von Personen des öffentlichen Lebens!

Der Artikel in der „Bild am Sonntag“

Hier stand mal ein Artikel von Jan Feddersen – heute steht dort ein kurzer Text der Taz-Chefredakteurin Ines Pohl

Ein offener Brief von Micha Schulze an Ines Pohl: „taz“ entschuldigt sich für Altmaier-Outing – zu Unrecht!

Stefan Niggemeier: Der ewige Junggeselle Peter Altmaier und die Selbstzensur der „taz“

Eine Spiegel-Kolumne von Jan Fleischhauer: Tabubruch! Welcher Tabubruch?

Alice Schwarzer: Outing: Argumentieren statt Denunzieren!

Gaywest meint: Outing: Mist