Laudatio Felix-Rexhausen-Preis 2006

 

Martin Reichert: Adieu Habibi
die tageszeitung (taz): 29. Juli 2006

Im Sommer war Krieg im Nahen Osten. Die Berichte in den Medien lieferten Informationen, Positionen, Stimmungen. Aktualität stand im Vordergrund. Militärische Optionen wurden diskutiert, die Arbeit der Hilfsorganisationen vorgestellt. Bei aller Betroffenheit für die Leserinnen und Leser und das Fernsehpublikum - es war eine gewohnte Übung, im besten Fall gute handwerkliche journalistische Arbeit.

In diesem Kontext fiel Martin Reicherts Artikel "Adieu Habibi" auf.
In seinem Text, erschienen in der taz kurz nach Kriegsbeginn, beschreibt der Berliner Journalist seine subjektiven Erlebnisse aus Beirut. Ein halbes Jahr vorher hat er die Stadt und die schwul-lesbische Szene dort in Begleitung des jungen, schwulen Filmregisseurs Eli besucht. Reichert verknüpft seine Beiruter Impressionen mit E-Mails, die Eli Monate später aus der bombardierten Stadt schickt. Diese Einsprengsel führen plastisch vor Augen, wie stark der Krieg im Libanon in den Alltag der Menschen eingreift - jenseits von Gewalt und Tod.

Der Text verbindet eine interessante Form mit subjektiver Sicht zu einem hohen Erkenntnisgewinn für die Leserinnen und Leser. Die ungewöhnliche, spannende und auch komplexe Komposition des Textes hat die Jury begeistert. Martin Reichert schreibt nicht einfach nur eine Reportage. Mit den späteren E-Mails seines Protagonisten Eli montiert er geschickt eine weiter Ebene ein. Darüber hinaus erlaubt er sich immer wieder die Freiheit zur dezidiert subjektiven Wahrnehmung. Wenn auch die ein oder andere Formulierung in der Jury kritisch diskutiert wurde: Der Gesamttext überzeugt in seiner komprimierten Vielschichtigkeit und in vielen überraschenden Details. Lebensgefühl und Alltag von Lesben und Schwulen in der Krisenstadt Beirut werden lebendig. Eingefangen sind Unsicherheit und fiebrige Nervosität ebenso, wie die Hoffnung auf bessere Zeiten und die Kraft des Aufbruchs.

Der Jury ist es daher leicht gefallen, Martin Reichert für seinen Beitrag "Adieu Habibi" mit dem Felix-Rexhausen-Preis 2006 auszuzeichnen.

Herzlichen Glückwunsch!

 
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