Danksagung von Kerstin Kilanowski
 

Rede der Sonderpreisträgerin Kerstin Kilanowski
anlässlich der Preisverleihung am 26. Januar 2008 in Köln

Sonderpreis-Gewinnerin Kerstin Kilanowski; Foto: Axel Bach

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Freundinnen und Freunde!
Es ist für mich eine große Freude, den Sonderpreis des Felix-Rexhausen-Preises zu erhalten. Und zwar aus mindestens zwei Gründen.
Erstens: Es sind Journalistinnen und Journalisten, die den Wettbewerb ausschreiben und in der Jury über die Vergabe entscheiden. Meine Arbeit wird also von Experten gewürdigt, die selber mit allen Finessen unseres Berufs vertraut sind.
Zweitens: Mein von Ihnen prämiertes dreistündiges Radiostück fällt eigentlich durch alle Kategorien. Es ist weder ein Feature, noch eine Reportage, noch ein Hörspiel. Aber es hat von allem etwas.

Dass der Bund lesbischer und schwuler Journalisten sich auf diese verschachtelte Montage von literarischen und dokumentarischen Texten, Interviews, Musiken und Geräuschen eingelassen hat, freut mich ganz außerordentlich. Es kommt Shakespeare genauso vor wie Romy Haag. Georgette Dee und Virginia Woolf. Boy George und die Barock-Oper. Leslie Feinberg - und Interviews mit Transidenten und queeren Leuten aus Köln. Alle drei sind heute Abend auch anwesend - Merit, Ines-Paul und Kay-Karentina. Danke, dass ihr mit uns feiert.

"Tanz auf der Grenze" habe ich diese Produktion genannt. Mit dem Untertitel "Was ist Mann, was ist Frau?" Dieses Thema bewegt mich eigentlich schon seit Jahrzehnten. Als jemand, die sowohl Frauen als auch Männer begehrt, erlebe ich selber, wie durchlässig die Geschlechtergrenzen sein können. Wo doch eigentlich die Welt vom ersten Atemzug an so deutlich in zwei Hälften aufgeteilt wird. "Es ist ein Junge - es ist ein Mädchen." Das sind die ersten Worte nach der Geburt.

Wie viele Zwischentöne in Wirklichkeit existieren, erleben Intersexuelle, Transidente und Transsexuelle wahrscheinlich am deutlichsten. Denn wer sein Geschlecht - im Sinne von Gender - neu erfindet, überschreitet die definierten Grenzen.

Aber auch gleichgeschlechtlich Begehrende werden schnell aus dem Paradies vertrieben: Ein Mann, der einen anderen Mann will, ist eine Tunte, eine warme Schwester, weibisch; jedenfalls kein 'richtiger' Mann. Und eine Frau, die Frauen liebt, ist ein Mannweib, ein kesser Vater - kurz: die schlechte Imitation von Männlichkeit. Weil sie einen Gender-Ausdruck jenseits der Norm haben, wird ihnen die biologische und soziale Geschlechtszugehörigkeit abgesprochen.

Der uneindeutige Mensch verunsichert die bestehende Ordnung. Aus Verunsicherung entsteht schnell das Gefühl von Bedrohung. Und wer sich bedroht fühlt, setzt im schlimmsten Fall Gewalt ein.

Gewalt hat viele Formen.
Die physische Gewalt gegenüber Menschen, die jenseits der Gender-Norm ihr Begehren leben, hat in Deutschland im Vergleich zu den 60er- und 70er-Jahren sicher abgenommen. Aber es ist beileibe keine Selbstverständlichkeit, sich Arm in Arm als Frau mit der Geliebten, als Mann mit dem Freund durch die Straßen zu bewegen. Wenn ich mit meinem Lebensgefährten in der Öffentlichkeit zärtlich bin, werde ich nicht wahr genommen. Wenn ich dagegen meine Freundin umarme, drehen sich die Köpfe der Passanten, manche bleiben stehen. Es wird geflüstert, es wird gelächelt. Ich werde beobachtet und bewertet. Jede zärtliche Geste wird so zu einer Demonstration nach außen. Und damit fühle ich mich in einem elementaren Bereich meines Lebens unfrei. Das passiert im angeblichen Homo-Mekka Köln genauso wie in Berlin oder Amsterdam.

Ich habe mich - wie wahrscheinlich viele von Ihnen - gefreut, dass Anne Will die Beziehung zu ihrer Lebensgefährtin öffentlich gemacht hat. Und gleichzeitig beschlich mich ein schales Gefühl: Was wäre passiert, wenn Anne Will nicht eine überaus beliebte Persönlichkeit wäre? Was wäre vor allem passiert, wenn ihre Freundin einen anderen Geschlechtsausdruck hätte? Wenn sie statt dekolletierter Abendkleider und sogenannter 'weiblicher' Accessoires einen Smoking trüge, ungeschminkt wäre, einen Garçonne-Haarschnitt hätte? Ich wage mir das hämische Gelächter nicht vorzustellen, das in den Boulevard-Blättern und Wohnstuben ausgebrochen wäre. "Man sieht, wer von den beiden der Mann ist." Der ausgestreckte Finger, das Grinsen - und das Tot-Schweigen verletzen und beschämen.

Über diese verschiedenen Formen von Gewalt, von Widerstand und Rebellion, aber auch von der Lust am Anders-Sein und Gegen-den-Strom-Schwimmen handelt meine Radiosendung. Besonders hervorheben möchte ich auch die wunderbaren Schauspielerinnen und Schauspieler, die mit ihren Stimmen meine Radiosendung zum Leben erweckt haben.

Ich danke dem Bund Lesbischer und Schwuler JournalistInnen also von Herzen, dass er "Tanz auf der Grenze" den Felix-Rexhausen-Sonderpreis verliehen hat.

Kerstin Kilanowski


Felix-Rexhausen-Preis
© 2008: BLSJ e.V.